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Zeig mir dein wahres Gesicht!

Die andere Wange soll ich auch noch hinhalten, wenn mich einer geschlagen hat? Ein Konfirmand fragte mich: „Macht das dem Jesus denn Spaß, dass er sich noch eine reinschlagen lässt?“ Nein, Spaß hat es ihm nicht gemacht. Aber er hat einen Ausweg aus der Gewalt gesucht. Zeig mir hinter deinen bösen Taten dein liebenswertes Gesicht!

Das Gesicht der Statue von John Cabot in Bristol, Neufundland (pixabay.com)
Wettergegerbtes Gesicht einer Statue in Neufundland (Bild: Andrew MartinPixabay)

#predigtGottesdienst am Volkstrauertag, 19. November 2000, 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Heute ist der vorletzte Sonntag im Kirchenjahr, der in unserem Land auch als Volkstrauertag begangen wird. Ich begrüße Sie und Euch zu diesem Gottesdienst mit dem Bibelwort zur Woche aus dem Paulusbrief 2. Korinther 5, 10:

Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi.

Heute haben viele Menschen Schwierigkeiten mit dem Gott, der ein Richter im Himmel ist. Schon Konfirmanden fragen sich: „Hat Gott überhaupt ein Recht, über die Menschen zu richten? Er lässt doch selber so viele Menschen sterben. Und ist er nicht schuld am Tod seines eigenen Sohnes?“ Solche Fragen dürfen im Gottesdienst gestellt werden. Wir fragen die Bibel, wir fragen Gott selbst und suchen Antwort.

Einige Konfirmandinnen und Konfirmanden haben sich an der Vorbereitung des Gottesdienstes beteiligt und lesen heute auch Texte vor.

Wir singen das Lied 331:

1. Großer Gott, wir loben dich; Herr, wir preisen deine Stärke. Vor dir neigt die Erde sich und bewundert deine Werke. Wie du warst vor aller Zeit, so bleibst du in Ewigkeit.

5. Dich, Gott Vater auf dem Thron, loben Große, loben Kleine. Deinem eingebornen Sohn singt die heilige Gemeinde, und sie ehrt den Heilgen Geist, der uns seinen Trost erweist.

9. Sieh dein Volk in Gnaden an. Hilf uns, segne, Herr, dein Erbe; leit es auf der rechten Bahn, dass der Feind es nicht verderbe. Führe es durch diese Zeit, nimm es auf in Ewigkeit.

11. Herr, erbarm, erbarme dich. Lass uns deine Güte schauen; deine Treue zeige sich, wie wir fest auf dich vertrauen. Auf dich hoffen wir allein: lass uns nicht verloren sein.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Gott, lass uns deine Güte schauen! Ja, zeig sie uns – wir haben es nötig. Immer wieder zweifeln wir, wenn wir an die Kriege denken, an Gewalt und Kränkung, an den respektlosen Umgang mit alten Menschen oder an die Vernachlässigung von Kindern. Gott, lass uns deine Güte schauen und dann:

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Gott, müssen wir an deiner Güte zweifeln, wenn Katastrophen wie in Kaprun geschehen? Müssen wir zweifeln, dass die Schöpfung gut ist, in der zwangsläufig ein Tier das andere frisst? Müssen wir an deiner Liebe zweifeln, wenn Menschen seit Kain und Abel einander verletzen, ausnutzen, töten? Müssen wir an uns selbst zweifeln, weil wir so oft versagen und so ängstlich sind? In Anfechtung, Zweifel und Angst rufen wir zu dir:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Es gibt Momente, da glaube ich an deine Güte, Gott! Ich nehme in einem Menschen, der mich nervt, ein Anliegen wahr: Nimm mich doch ernst! Leg mein Verhalten nicht auf die Goldwaage! Ich spüre, dass es sich lohnt, Geduld zu haben, dass es gut ist, nicht aufzugeben. Mir geht auf, dass ein schwieriger Mensch mir unabsichtlich die schwierige Geschichte seines Lebens erzählt. Gott, ich spüre deine Liebe, wo zwischen mir und ihm Vertrauen wächst.

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Barmherziger Gott, lass in uns Vertrauen wachsen – gegen die Angst. Lass in uns Liebe wachsen – gegen Hass und Gleichgültigkeit. Lass in uns Hoffnung wachsen – gegen die Verzweiflung. Das erbitten wir durch Jesus Christus, unseren Herrn. „Amen.“

Heute kommt die Schriftlesung nicht an dieser Stelle – stattdessen lesen Konfirmanden gleich während der Predigt drei verschiedene Stücke aus der Bibel vor. Doch zuvor sprechen wir gemeinsam das Bekenntnis unseres Glaubens zu dem Gott, der in uns Glauben schafft:
Glaubensbekenntnis

Wir singen das Lied 586:

1. Herr, der du einst gekommen bist, in Knechtsgestalt zu gehen, des Weise nie gewesen ist, sich selber zu erhöhn:

2. Komm, führe unsre stolze Art in deine Demut ein! Nur wo sich Demut offenbart, kann Gottes Gnade sein.

3. Der du noch in der letzten Nacht, eh dich der Feind gefaßt, den Deinen von der Liebe Macht so treu gezeuget hast:

4. Erinnre deine kleine Schar, die sich so leicht entzweit, daß deine letzte Sorge war der Glieder Einigkeit.

5. Drum leit auf deiner Leidensbahn uns selber an der Hand, weil dort nur mit regieren kann, wer hier mit überwand.

Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde, der heutige Sonntag heißt auch Volkstrauertag. Heute denken viele Menschen an schreckliche Ereignisse der letzten hundert Jahre: Weltkrieg und Völkermord, Hungersnot und Vertreibung. Die älteren haben Krieg und Nachkriegszeit selber erlebt, viele haben Angehörige oder ihre Heimat verloren, viele tragen bis heute schwer an Verwundungen, die nicht heilen wollen – an Leib und Seele. Aber auch junge Menschen stoßen auf Spuren des Leids, zum Beispiel wenn sie sich auf dem Friedhof umschauen.

Im letzten Konfirmandenkurs „Was ist eigentlich, wenn man stirbt?“ haben wir auf dem Friedhof am Rodtberg viele Gräber gefunden, die an Weltkriege und Völkermorde des 20. Jahrhunderts erinnern.

Da ist ein großes Gräberfeld für deutsche Soldaten der beiden Weltkriege, an die ein Ehrenmal erinnert, auf dem die Worte stehen: „Unseren Kameraden.“

An einer anderen Stelle liegen Gräber von Soldaten aus Russland und anderen Ländern, die im 1. Weltkrieg für ihr Vaterland in den Krieg gezogen und gestorben sind.

Auch gibt es ein Denkmal „zum Gedenken an die jüdischen Mitbürger, die während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft deportiert und ermordet wurden.“

Außerdem haben wir ein Gräberfeld gefunden, das „den Opfern der Luftangriffe auf Gießen und den auf der Flucht umgekommenen Heimatvertriebenen“ gewidmet ist.

Das ist lange her, aber immer noch denken Menschen an die, die damals gestorben sind.

Immer noch gibt es in anderen Ländern Krieg oder Kriegsgefahr – in Teilen von Russland, auf dem Balkan, in Palästina.

Und wenn es auch in unserem Land heute keinen Krieg gibt, erleben wir doch auch viel Gewalt: Menschen morden aus Habgier oder als Triebtäter. Menschen, die sonst friedlich sind, rasten plötzlich aus und töten Angehörige im Streit.

Alltäglich sind Beleidigungen und kleine Auseinandersetzungen, aus denen leicht Handgreiflichkeiten werden können.

Können wir etwas gegen die Gewalt tun?

Wir haben dazu einen Bibeltext von Jesus gelesen. Er steht im Evangelium nach Matthäus 5, 38-40 (Elberfelder Bibel revidierte Fassung 1993 © 1994 R. Brockhaus Verlag, Wuppertal):

Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Auge um Auge und Zahn um Zahn.

Ich aber sage euch: Widersteht nicht dem Bösen, sondern wenn jemand dich auf deine rechte Backe schlagen wird, dem biete auch die andere dar.

Und dem, der mit dir vor Gericht gehen und dein Untergewand nehmen will, dem lass auch den Mantel!

Und wenn jemand dich zwingen wird, eine Meile zu gehen, mit dem geh zwei!

Liebe Gemeinde, als ich kürzlich mit einem Konfirmandenkurs im Zug saß, erlebte ich mit, wie einige Mädchen in Streit gerieten. Ich weiß nicht, wie es dazu kam, aber es fehlte nicht viel, und sie wären handgreiflich geworden. Ich sprach nachher mit unseren Konfirmandinnen darüber, und eine meinte: „Wenn jemand meine Eltern oder meine Herkunft beleidigt, dann muss ich mich doch wehren! Das kann ich nicht auf mir sitzen lassen.“ Aber muss man wirklich alles mit gleicher Münze heimzahlen? Jesus kritisiert diese Einstellung.

Ursprünglich war das mal ein Fortschritt gewesen. Auge um Auge, Zahn um Zahn, das war schon besser als eine Blutrache, die immer mehr Opfer forderte. Nur Gleiches mit Gleichem vergelten, nicht ein böses Wort mit zehn Beleidigungen, nicht eine Beleidigung mit einem Faustschlag ins Gesicht, nicht einen Mord mit sieben Morden. Aber Jesus will mehr. Hört auf, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, sagt er. Stoppt die Gewalt in euch selbst!

Das ist so radikal, dass nicht nur Jugendliche den Kopf schütteln. Wenn einer mir die Jacke wegnimmt, soll ich ihm meinen Mantel noch dazugeben? Dem Bösen soll ich nicht widerstehen? Die andere Wange soll ich auch noch hinhalten, wenn mich einer geschlagen hat? Ein Konfirmand fragte mich einmal: „Macht das dem Jesus denn Spaß, dass er sich noch eine reinschlagen lässt?“

Nein, Spaß hat es ihm nicht gemacht. Aber er hat einen Ausweg aus der Gewalt gesucht. Er sieht ein von Hass verzerrtes Gesicht – und blickt dahinter – denn es ist nur eine Maske. Zeig mir dein Gesicht! sagt Jesus. Dein wahres Gesicht! Kein Mensch ist durch und durch ein Teufel. Zeig mir hinter deinen bösen Taten dein liebenswertes Gesicht.

Denn eigentlich bist du Gott ähnlich, Gott hat dich als sein Ebenbild geschaffen. Das sagt die Bibel schon im allerersten Kapitel. Du bist von Gott geliebt und zur Liebe fähig.

Willst du das wirklich nochmal tun? fragt Jesus, indem er die andere Wange hinhält. Ich gebe dir keinen Grund, mich zu hassen. Willst du trotzdem zuschlagen? So sucht Jesus Wege, auf denen sich ein Gewalttäter ändern kann. Hast du es wirklich nötig, dir meine Jacke mit Gewalt wegzunehmen? Kannst du nicht um Hilfe bitten? Hier, da hast du noch mehr von mir, du hättest nur fragen müssen. Zeig mir dein Gesicht, dein wahres Gesicht!

Lied 425: Gib uns Frieden jeden Tag! Lass uns nicht allein

Liebe Gemeinde, einfach ist der Weg Jesu nicht. Es ist ein gutes Ziel, den Feind zum Freund zu machen. Erzwingen kann man es nicht. Das musste Jesus und in ihm Gott selbst am eigenen Leibe erfahren. Man schlug ihm wirklich mehr als einmal ins Gesicht. Man schlug ihm sogar Nägel durch Hand- und Fußgelenke.

Auch dazu gab es im letzten Konfirmandenkurs Fragen. Wie konnte Gott seinen Sohn so leiden lassen? Eine erste Antwort darauf haben wir eben von Jesus selbst gehört: Er ist in dieser Frage mit seinem Vater im Himmel einig – er will der Gewalt nicht mit Gewalt widerstehen, und wenn es sein Leben kostet. Er will der Liebe zu den Menschen treu bleiben, selbst zu denen, die ihn ans Kreuz nageln. Er zeigt auf diese Weise, dass die Liebe stärker ist als Tod und Teufel, Hass und Gewalt.

Jesus weiß das. Er leidet um der Liebe willen, trägt die Sünde der Welt, nicht eine Strafe für eigene Verfehlungen. Trotzdem leidet auch er unerträgliche Qualen. Trotzdem schreit auch er am Kreuz zu Gott: „Warum hast du mich verlassen?“ So steht er Seite an Seite mit Kriegsopfern und Heimatvertriebenen, die sinnlos sterben mussten, mit den Urlaubern von Kaprun, die aus heiterem Himmel in den Katastrophentunnel hineinfuhren, mit unheilbar kranken Schmerzpatienten, die sich fragen: „Warum werde ich so gestraft?“

Auf diese Frage: „Warum straft mich Gott?“ gibt die Bibel im Buch Hiob eine provozierende Antwort. Da lesen wir, wie sich ein Mann mit Namen Hiob gegen seine Freunde wehrt. Sie halten ihm vor: Sieh doch endlich ein, dass du an deinem Unglück selber schuld bist. Gott hat dich gestraft, dass du alles verloren hast und krank geworden bist. Hiob hat alle seine Kinder sterben sehen, hat sein Vermögen verloren, er ist leprakrank, sein Fleisch fault ab, er ekelt sich vor sich selbst. Aber er ist überzeugt: Ich habe nichts Böses getan! (Hiob 19, 1-9.13.17-27 – angelehnt an die katholische Einheitsübersetzung in vereinfachter Sprache:)

Da antwortete [Hiob:] Wie lange noch wollt ihr mich quälen und mich mit Worten niedertreten?

Zum zehntenmal schon schmäht ihr mich und schämt euch nicht, mich zu beleidigen.

Habe ich wirklich unwissend Fehler gemacht, dann geht das nur mich selbst etwas an.

Wollt ihr wirklich großtun gegen mich und mich demütigen und kränken?

Erkennt doch, dass Gott mich niederdrückt! Er hat sein Netz rings um mich geworfen.

Schrei‘ ich: Gewalt!, bekomme ich keine Antwort. Rufe ich um Hilfe, bekomme ich nicht mein Recht.

Meinen Pfad hat Gott versperrt; ich kann nicht weiter. Finsternis legt er auf meine Wege.

Meiner Ehre hat er mich entkleidet, die Krone mir vom Haupt genommen.

Meine Brüder hat er von mir entfernt, meine Bekannten sind mir entfremdet.

Mein Atem ist meiner Frau zuwider; die Söhne meiner Mutter ekelt es vor mir.

Selbst Buben verachten mich. Stehe ich auf, verhöhnen sie mich.

Alle meine Gefährten verabscheuen mich. Die ich liebe, lehnen sich gegen mich auf.

An Haut und Fleisch klebt mein Gebein. Nur das Fleisch an meinen Zähnen blieb.

Erbarmt euch meiner, meine Freunde! Denn Gottes Hand hat mich getroffen.

Warum verfolgt ihr mich wie Gott? Wollt ihr euch satt essen an meinem Fleisch?

Meine Worte sollten aufgeschrieben werden – eingegraben in einer Inschrift mit eisernem Griffel und mit Blei, für immer gehauen in den Fels.

Doch ich, ich weiß: mein Erlöser lebt, als letzter erhebt er sich über dem Staub.

Ohne meine Haut, die so zerfetzt ist, und ohne mein Fleisch werde ich Gott schauen.

Ihn selber werde ich dann für mich schauen; meine Augen werden ihn sehen und kein Fremder. Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust.

So weit die Worte von Hiob. Mich beeindruckt daran zweierlei: Hiob wagt es, Gott entgegenzutreten, er klagt ihn an, er ist selbstbewusst. Und zugleich lässt er Gott nicht los, er kämpft mit ihm um Erlösung. Er sieht Gott gleichzeitig als den, der ihn quält, und den, der ihn erlöst. Gott ist da, und wenn Gott da ist, dann ist er der einzige, an den Hiob sich wenden kann. „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt!“ Und das ist der gleiche, der mich schlägt, der mich unschuldig leiden lässt. So darf man zu Gott reden. Das bestätigt im Buch Hiob Gott selber – er gibt Hiob recht – gegen seine scheinbar so frommen Freunde, die keine Anklagen gegen Gott zulassen wollen. Heute zweifeln viele Menschen lieber an der Existenz Gottes und sagen: Den gibt es nicht! Hiob hält die Spannung aus. Du bist da, und ich will wissen, warum du mich so leiden lässt. Mit meinen eigenen Augen werde ich dich sehen!

Hiob redet als Prophet, wenn er die geheimnisvollen Worte spricht: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt!“ Er sieht ihn, den Erlöser, wie er sich als letzter aus dem Staub erhebt. Ist das eine Vorausschau auf den, der viel später aus dem Tod auferstand – Christus, der für uns Christus der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende ist?

Wir singen das Lied auf dem Liedblatt:

„Ich weiß, dass mein Erlöser lebt! Auf ihn will ich vertrauen. Wenn aus dem Staub er sich erhebt, dann werde ich Gott schauen.“ So kann der Hiob in die Zukunft sehn, als er sein Schicksal kann kaum tragen. Er wagt es, Gott zu widerstehn, ihn voller Zorn zu fragen: „Warum hast du mich so geschlagen?“

„Warum“, so fragt auch Jesus Christ, „warum, Gott, hast du mich verlassen?“ Wenn Gott am Kreuz den Sohn vergisst, muss Jesus ihn nicht hassen? Doch Jesus bleibt der Liebe treu zu Gott und Menschen, die ihn schlagen. So zeigt sich Gottes Liebe in ihm neu, die aufersteht nach nur drei Tagen. Wir sind von Gott getragen!

Liebe Gemeinde, jetzt werfen wir noch einen Blick auf den eigentlich für heute vorgesehenen Predigttext.

Wir hören noch einen dritten Bibeltext aus der Offenbarung 2, 8-10. Der Prophet Johannes bekommt dort den Auftrag, Worte von Jesus an verschiedene Gemeinden weiterzusagen, zum Beispiel an die Gemeinde in Smyrna:

Dem Engel der Gemeinde in Smyrna schreibe: Das sagt der Erste und der Letzte, der tot war und ist lebendig geworden:

Ich kenne deine Bedrängnis und deine Armut – du bist aber reich. … Fürchte dich nicht vor dem, was du leiden wirst!

Siehe, der Teufel wird einige von euch ins Gefängnis werfen, damit ihr versucht werdet, und ihr werdet in Bedrängnis sein zehn Tage. Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.

Diese Worte stammen aus dem letzten Buch der Bibel. Darin steht, was Johannes, der Prophet, mit seinem Herzen sieht und hört. Er sieht Jesus im Himmel auf dem Richterstuhl Gottes sitzen – und das ist tröstlich. Jesus, selber unschuldig verurteilt, hat das letzte Wort über unsere Schuld und Vergebung. Er blickt in unser Herz und versteht uns wirklich. Er durchschaut jede Maske und weiß, wer wirklich reich ist oder wer innerlich leer ist.

Und Johannes hört Worte, die der auferstandene Jesus uns Christen auf der Erde sagt. Er sagt: Seid treu. Seid der Liebe treu. Seid euch selber treu und erkennt, dass euer wahres Gesicht ein Spiegel ist für – Gott. Seid treu bis an den Tod. Es kann sogar das Leben kosten, treu zu dem zu stehen, was man für wahr und richtig hält, treu zu denen, die man liebt, treu zu dem Gott, an den man glaubt.

Und was kriege ich dafür? So wird heute oft gefragt. Johannes hört Jesus sagen: Du kriegst die Krone des Lebens. Wer treu ist, kriegt das Leben. Wer fest zu seiner Überzeugung steht, der gewinnt im Notfall auch den Mut, durchzuhalten. Wer sein Leben um jeden Preis retten will, notfalls auch mit Gewalt oder durch Selbstverleugnung, der macht sich etwas vor. Zeig mir dein Gesicht, sagt Jesus. Du bist liebenswerter als du denkst. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Lied 427, 1-3: Solang es Menschen gibt auf Erden

Gott im Himmel, du bist in Jesus zu uns auf die Erde gekommen. Du teiltest die Armut des Stalles. Du teiltest das Leben der Flüchtlinge. Du teiltest das Leben der Kriegsversehrten, der Witwen und der Waisen. Du teiltest das Leben der Ausgestoßenen. Du teiltest das Paradies mit einem Verurteilten. Du teiltest das Los aller, die im Sterben einsam und verlassen sind.

Darum bist du auch heute nahe allen, die Angst haben vor Gewalt, die in Kriegen geopfert werden, die in scheinbarer Ausweglosigkeit in Gewalt flüchten, die sich an ihrer Begrenztheit wundreiben, die sich selbst nicht mehr ertragen, die ihre Gefühle mit Alkohol betäuben, die am Sinn ihres Lebens verzweifeln.

Gott, du bist nahe allen, die nicht einmal mehr traurig sein und ihren Schmerz fühlen können, allen, die abgestumpft, müde und kaputt sind, allen, die nicht mehr wünschen, hoffen, träumen können. Für sie und für uns alle bitten wir um Hoffnung, die im Alltag trägt, wir bitten um Wünsche, die erfüllbar sind, wir bitten um den Mut, die kleinen Schritte zu gehen, die wir gehen können.

Gib uns deinen Geist, der uns wachsen lässt, der uns beweglich macht, wo wir erstarrt sind, der uns Phantasie schenkt, wo uns nichts mehr einfällt, der uns Kraft gibt, Leiden anzunehmen oder dagegen anzukämpfen – je nachdem; gib uns den Geist, der für uns seufzt und betet, wo wir nicht mehr beten können.

Zu guter Letzt bitten wir dich, Gott, für unsere Konfirmandengruppe, die an diesem Wochenende auf der Jugendburg Hohensolms ist. Lass sie heute nachmittag mit guten Erinnerungen und wohlbehalten nach Hause kommen. Amen.

In der Stille bringen wir vor dich, was wir außerdem auf dem Herzen haben.

Stille und Vater unser
Lied 427, 4-5: Solang es Menschen gibt auf Erden

Und nun lasst uns mit Gottes Segen in den Sonntag und in die neue Woche gehen:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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